„Der Idealismus steigt mit der Entfernung zum Problem.“ John Galsworthy (englischer Schriftsteller, der 1932 den Literatur-Nobelpreis erhielt)
20 Jahre nach der neuerlichen Gründung unserer an der Oder gelegenen Universität scheint sich deren Position in der internationalen Wissenschaftslandschaft zusehends zu festigen. Die Profilbildung sowie die damit verbundene Strukturierung der Universität können dabei zum jetzigen Zeitpunkt keineswegs für abgeschlossen erklärt werden. Die Rolle der Studierendenschaft in diesem Prozess schien jedoch selten unklarer.
Das Profil einer Universität unterliegt stets einem Wandel, gleichwohl man als an der deutsch-polnischen Grenze gelegene Europa-Universität bereits seit der Gründung wichtige, unveränderliche Eckpfeiler dieses Profils kennt. Sowohl die Finanzierung der Universität als auch deren personelle Zusammensetzung verändern sich fortwährend. Während die absolute Zahl der an der Viadrina immatrikulierten Studierenden in den vergangenen Jahren rasant zunahm, sank die finanzielle Ausstattung der Universität gemessen an den relativen Zahlen. Als Stiftungsuniversität führt dies mittel- bis langfristig zu einem erheblichen finanziellen Problem, dessen Auswirkungen auf die an unserer Universität gelebte Wissenschaftskultur man sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorzustellen vermag. Die Tragweite des Problems hat nach Ansicht der Universitätsleitung dabei gar ein die Existenz unserer Universität bedrohendes Ausmaß.
Wenn Großteile der Studierendenschaft sich auf das Postulieren von Forderungen nach der staatlichen Ausfinanzierung des Bildungswesens und eine Position der prinzipiellen Ablehnung von Drittmitteln zurückziehen, dann nähern sie sich damit dem grundsätzlichen Problem der Finanzierung einer Stiftungsuniversität nur in äußerst unzureichender Weise an. Die im März 2008 unternommene Umwandlung in eine Stiftungsuniversität führte zu einer stärkeren Unabhängigkeit der Universität, welche sich ebenfalls in der stärkeren finanziellen Unabhängigkeit der Universität gegenüber dem Land Brandenburg widerspiegelt. Im Gegenzug nimmt die Abhängigkeit von anderen Geldgebern progressiv zu. Im Jahre 2011 stieg der Anteil der finanziellen Zuwendungen, die nicht auf das Land zurückgehen, auf über ein Fünftel des universitären Gesamthaushalts. Ein Abgleich der Realität mit der mehrheitlichen Position der Studierendenschaft führt rasch zu dem Schluss, dass diese Position zwar nachvollziehbar sein mag, die Gewährung der gestellten Forderungen jedoch jeglichem Realismus entbehrt und man sich vom eigentlichen Problem entfernt hat. Eine solche von Idealen getragene, jedoch realitätsferne Haltung verursacht bei weiten Teilen der anderen Mitglieder der Universität Unverständnis und führt ebenfalls dazu, dass unserem Wort nicht immer das gewünschte Gewicht zukommt.
Begegnet man dieser Zurückhaltung nun wie in der Vergangenheit mit der Forderung nach mehr Stimmrechten für die Studierendenschaft bei den Abstimmungen in den universitären Gremien – anderweitig sei eine Durchsetzung der Positionen der Studierendenschaft nicht möglich, so zeugt dies einmal mehr von einem segregativen Denken vieler Studierender im Hinblick auf das Verhältnis von Studierendenschaft und Universität. Wir stellen als Studierendenschaft einen wesentlichen Bestandteil – nach absoluten Zahlen sogar den größten Teil unserer Universität dar, doch wir wären nicht an einer Universität, gäbe es kein wissenschaftliches sowie nicht-wissenschaftliches Personal, das uns beim Lernen, Lehren und Forschen unterstützt. Wir müssen anfangen zu verstehen, dass eine Universität nur dann exzellente Wissenschaftler hervorbringen kann, wenn sich alle der Notwendigkeit eines produktiven Miteinanders bewusst sind und sich auf diese grundsätzlichen Ziele einigen können.
Bringen sich Studierende in konstruktiver Weise mit Vorschlägen ein, deren Umsetzung realistisch und strategisch sinnvoll erscheint, wurden und werden sie nicht lediglich gehört, sondern sie liefern die entscheidenden Impulse in Debatten. Die bei der überwältigenden Mehrheit der anderen Mitglieder der Universität vorhandene Bereitschaft zur Empathie hinsichtlich studentischer Positionen muss von uns als studentischen Vertretern genutzt werden, um eben jene Empathiebereitschaft in die Sympathie für unsere Positionen zu wandeln. Unsererseits bedarf es ferner zur bestmöglichen Verwirklichung unserer Ideen regelmäßig weniger einer Sympathie für die Positionen von wissenschaftlichem wie nicht-wissenschaftlichem Personal; vielmehr muss unsererseits die Fähigkeit zur Empathie jederzeit im Vordergrund stehen.
Offensichtlich sind ein höheres Engagement sowie mehr Fähigkeiten seitens der Vertreter der Studierendenschaft erforderlich; es liegt jedoch in der Verantwortung eines jeden Vertreters selbst, seine Kapazitäten realistisch einzuschätzen. Am Ende stünde ein Resultat, das von allen in der Universität mitgetragen werden kann, da es von allen herbeigeführt wurde – ein bisher viel zu rarer und gegenüber einer von der Studierendenschaft aufgrund von deplatziertem Idealismus nicht zu unseren Gunsten beeinflussten Entscheidung vorzugswürdiger Zustand.
Anstatt uns weiter von der Universität zu entfernen, sollten wir uns stärker in unsere Universität integrieren, indem wir in empathischer sowie selbstbewusster Weise auf Augenhöhe mit den anderen Universitätsangehörigen streiten, verhandeln und entscheiden. Wir sollten uns in einem zivilen Sinne an den ursprünglichen Begriff commilito (lateinisch für Mitstreiter) annähern, indem wir Professorinnen und Professoren genauso wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ebenfalls als unsere Kommilitoninnen und Kommilitonen begreifen.
In einem solchen gesamtuniversitären Diskurs muss stets eine Prämisse von allen anerkannt sein: die Herstellung eines für die internationale Wissenschaftslandschaft einzigartigen Freiraums, der jegliche Voraussetzungen für ein freies sowie selbstbestimmtes universitäres Leben aller vorhält.